Ich denke, die Gemüter zum letzten Star Wars Film sind nun weitestgehend abgekühlt, sodass man den Film einmal kritisch auseinander nehmen kann. Obwohl ich mich selbst durchaus als Star Wars Fan bezeichnen würde – vor allem des alten Expanded Universe – blieb bei Episode 7 ein gewisser Nachgeschmack.
Ich fand insgesamt Storytelling und Aufbau des Films leider eher schwach.
+++ ACHTUNG +++ ab jetzt folgen SPOILER +++ ACHTUNG +++
Inhalt
Grundgerüst der Story
Lieferte Episode 4 das Grundgerüst zu Episode 8?
Es beginnt damit, dass die Bösen (Imperiale / Neue Ordnung) versuchen, Pläne an sich zu bringen (Pläne zur Zerstörung des Todessterns / Karte zu Luke Skywalker) und diese Pläne von einem Rebellen (Leia Organa) / Widerstandskämpfer (Poe Dameron) in einem Droiden (R2-D2 / BB-8) versteckt werden, der anschließend auf einem Wüstenplaneten (Tatooine / Jakku). Ein unbeteiligter Dritter (Luke Skywalker / Rey ) nimmt sich des Droiden an (Luke, weil sein Onkel ihn gekauft hat und ihm aufgetragen hat, ihn zu reinigen etc. / Rey, … weil ihr danach ist? Weil sie Mitleid hat?) und gerät dadurch in Schwierigkeiten (Onkel und Tante werden ermordet / Rey wird direkt verfolgt, weil sie mit dem Droiden gesehen wird).
Ab jetzt steigt die Varianz, doch es bleiben Parallelen erhalten.
Beide müssen von dem Planeten fliehen und tun dies mit Hilfe des Millennium Falkens. Der Millenium Falke wird auf seiner anschließenden Mission (Alderaan / Basis des Widerstands) gekapert (Todesstern / Schmugglerschiff von Han Solo, auf dem kurz danach rivalisierende Schmuggler erscheinen). Die Besatzung versteckt sich unter den Panelen, also quasi „im Fußboden“. Nach ein paar Kämpfen (mit Imperialen / Schmugglern) gelingt die Flucht mit zusätzlicher Besatzung (Leia Organa / Han Solo & Chewbacca).
Zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Geschichte und dennoch auffällig: In beiden Filmen suchen die Helden Hilfe in einer Kantine, in der es vor Kreaturen verschiedener Spezies nur so wimmelt. Luke vor seiner Flucht von Tatooine in Mos Eisley und Rey mit Hilfe von Han Solo auf Takodana. In dieser Kantine gibt es sowohl Hilfe (Han Solo & Chewbacca / Maz Kanata), als auch Verräter, die dafür sorgen, dass es Ärger gibt. Abweichung: Luke kann zusammen mit den Droiden, Obi-Wan Kenobi und Han Solo & Chewbacca entkommen, während Rey gefangen genommen wird und nur Han Solo, Chewbacca, BB-8 und Finn die Flucht gelingt.
Anakins Lichtschwert und Supperwaffen
Das blaue Lichtschwert von Anakin Skywalker ist offensichtlich als wiederkehrendes Symbol gedacht. Luke bekommt es von Obi-Wan überreicht und Maz Kanata fordert Rey auf, es zu nehmen. Eine weitere Abweichung: Luke nimmt das Lichtschwert bereitwillig an, weil es ihn mit seinem Vater verbindet, über den er fast nichts weiß. Rey lehnt es ab, weil sie kurz zuvor von Visionen geplagt ist, die scheinbar ausgelöst wurden, als sie das Lichtschwert berührt hat.
Abseits des Pfads unserer Helden nutzen die Bösen übrigens eine Superwaffe (Todesstern / Starkiller-Basis), um Planeten zu vernichten (Alderann / mehrere Planeten des Hosnian-Systems, wo u.a. der Senat der neuen Republik sitzt), um ihre Stärke zu demonstrieren und somit ihre Gegner einzuschüchtern.
Sith und Militär im Duett
Gleichzeitig gibt es mit Snoke eine Art neuen Imperator, der im Hintergrund die Fäden zieht und nur als Hologramm auftaucht. Dies erinnert ein wenig an Episode 5. Er befehligt sowohl Kylo Ren, als auch General Hux. Dies erinnert an die Kombination von Darth Vader und Großadmiral Tarkin aus Episode 4, auch wenn Hux eindeutig zu jung ist und nicht die Autorität ausstrahlt, die Tarkin ausstrahlte.
Somit ist übrigens auch der Senat der rechtmäßigen Regierung in beiden Filmen „aufgelöst“. In Episode 4 berichtet Tarkin von der Auflösung in Episode 7 erzwingt General Hux diese durch die Zerstörung des Planeten-Systems.
Als die Helden im Stützpunkt der Rebellen bzw. in der Basis des Widerstands ankommen, steht fest, dass ihnen nur wenig Zeit bleibt, bis die Superwaffe sie selbst zerstören wird. (Todesstern muss Yavin umrunden / Starkiller-Basis muss sich neu aufladen)
Ähnlich wie beim 2. Todessterns aus Episode 6 wird die Starkiller-Basis durch einen Schutzschild geschützt (von Endor aus / auf dem unfunktionierten Planeten selbst), der durch einen Stoßtrupp vor Ort ausgeschaltet werden muss. In beiden Fällen sind es Han Solo und Chewbacca die diesen Stoßtrupp anführen und mit Detonatoren dafür sorgen, dass die Piloten der Rebellen bzw. des Widerstands schließlich die Superwaffe zerstören kann.
Ähnlich Luke auf dem 2. Todesstern gelingt auch Rey die Flucht von dem Planeten, bevor er explodiert. Wobei sie dabei Hilfe von Chewbacca bekommt und mit dem Millennium Falken entkommt.
Bevor dies passiert, muss sie jedoch den Tod ihres „Guardians“ (Han Solo) durch Kylo Ren mit ansehen, so wie Luke den Tod seines Guardians (Obi-Wan) durch Darth Vader in Episode 4 mit ansehen musste. Es folgt für Rey ein Kampf mit Kylo Ren, so wie auch Luke sich Darth Vader in Episode 5 noch unvorbereitet gestellt hat. Durch die Verletzung von Finn durch Kylo Ren wird Rey emotional und geht auf Angriff, ähnlich Luke, der in Episode 6 zum Angriff übergeht, als Vader verbal seine Schwester bedroht.
Am Ende gelingt natürlich die Zerstörung der Superwaffe und wir bekommen die Andeutung, dass unsere Contagonisten (Darth Vader / Kylo Ren) überleben (Darth Vader trudelt in seinem Jäger durch das Weltall / Snoke weißt vor der Zerstörung an, Kylo Ren zu ihm zu bringen).
Character Roles & Relationships
Wer sich mit Story-Theorie beschäftigt, weiß, dass Star Wars Episode 4 nahezu ein Musterbeispiel für die einzelnen Rollenmodelle ist, da diese dort nahezu in ihrer Reinform auftreten.
Grundsätzlich schaut das dort so aus:
Protagonist: Luke Skywalker |
Antagonist: Imperium, personifiziert durch Großadmiral Tarkin |
Sidekick: >R2-D2, C-3PO |
Contagonist: Darth Vader |
Reason: Leia Organa |
Skeptic: Han Solo |
Guardian: Obi-Wan Kenobi |
Emotion: Chewbacca |
Für Episode 7 würde ich die Rollen wohl wie folgt verteilen.
Protagonist: Rey |
Antagonist: Neue Ordnung, personifiziert durch General Hux |
Sidekick: BB-8 |
Contagonist: Kylo Ren |
Reason: (?) |
Skeptic: Finn |
Guardian: Han Solo |
Emotion: Chewbacca |
Die Journey des Protagonisten
Sowohl Luke, als auch Rey müssen von ihrer Vergangenheit loslassen und sich der Macht öffnen (mal gelenkt, mal unbewusst), um zu überleben und ihre auch um ihre neuen Freunde zu retten.
Während Lukes Journey in Episode 4 nicht überzogen ist und nachvollziehbar bleibt, ist mir Rey einfach zu schnell.
Luke | Rey |
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Hierbei drängen sich einige Fragen zur Plausibilität von Reys Figur und Fähigkeiten auf:
- Wenn Rey eigentlich Schrottsammlerin ist, warum kann sie dann sogar Raumschiffe reparieren und weiß, was mit dem Millennium Falken zu tun ist?
- Warum versteht sie BB-8 ohne jede Hilfe? Es sah nicht so aus, als ob es in ihrem Umfeld viele Droiden gab.
- Wieso kann sie den Falken ganz allein fliegen. Das hat bisher nicht mal Han Solo gemacht, nicht in einem Kampf. Denn der Falke ist konzipiert für einen Piloten und einen Co-Piloten.
- Warum versteht sie Chewbacca? Wenn sich von Jakku kam, ist sie doch eigentlich sehr wahrscheinlich noch nicht sehr vielen Wookies über den Weg gelaufen…
- Wie gelingt es ihr, ohne jedes Wissen um die Macht (außer die kleine Ansprache von Han, dass es sie gibt), den Verstand eines Sturmtrupplers zu beeinflussen?
- Wieso kann sie im Lichtschwert-Duell einem Sith-Schüler das Wasser reichen? Ja, sie hat sich vorher bereits mit ihrem Stab verteidigt, doch am Ende ist sie vom Ursprung her eine Schrottsammlerin und keine Kriegerin!
Viele Fragezeichen, die die Heldin irgendwie etwas unglaubwürdig erscheinen lassen. Wie soll hier eine Journey vollzogen werden, wenn ihr alles scheinbar zufliegt?
Und warum hat sie eigentlich keinen Familiennamen? Sie wartet doch auf ihre Familie? Dann hat man auch einen Familiennamen…
Die Rolle des Sceptic
Han Solo | Finn |
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Während ich es ganz spannend finde, dass die Sturmtruppen mit Finn ein wenig ihre Anonymität verlieren, so ist die Reaktion für mich nicht nachvollziehbar. Ein Soldat, der von Kindesbeinen an auf Kampf und Tod gedrillt wurde, bekommt plötzlich aus heiterem Himmel ein schlechtes Gewissen?
Auch sein zweiter Wandel ist für mich etwas fragwürdig. Hier stehen ja einerseits seine große Angst vor der Neuen Ordnung und andererseits seine Zuneigung zu Rey im Konflikt zueinander. Die Angst war bisher so groß, dass er Rey in einer Tour angelogen hat und ihr bereitwillig den Rücken gekehrt hat, nur um vor der Neuen Ordnung zu fliehen. Und ganz plötzlich – beim Anflug von Raumschiffen der Neuen Ordnung (vor denen er doch so viel Angst hat) – ändert er seine Meinung?
Das ist leider für mich einfach nicht glaubwürdig genug rüber gekommen.
Führung durch einen Guardian
Obi-Wan Kenobi | Han Solo |
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Han ist als potentieller Guardian für Rey nicht wirklich überzeugend. Seine Motivation ihr zu helfen, ist einfach zu dünn. Klar, will er helfen, die Karte zum Widerstand zu bringen, die helfen wird, Luke wieder zu finden. Doch warum Rey einen Job anbieten?
Und noch unverständlicher: Warum tritt Han auf dieser Brücke Kylo Ren gegenüber? Und warum lässt er dann auch noch zu, dass das Lichtschwert, von dem er zweifelsohne weiß, dass es nicht nur in eine Richtung gefährlich ist, in tödliche Nähe kommt? Dieser Tod eines Helden wirkt eher, als wollte man ihn einfach schnellstmöglich aus der Geschichte schreiben. Hatte Mr. Ford vielleicht kein Interesse an einem weiteren Star Wars Film.
Der Contagonist und der Antagonist
Darth Vader & Großadmiral Tarkin | Kylo Ren & General Hux |
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Kylo Ren ist offensichtlich eine gespaltener Persönlichkeit, der noch nicht vollständig von der dunklen Seite konsumiert wurde. Entsprechend besteht bei Leia auch der Wunsch, ihn zurück zu holen. Wir erfahren, dass er seinem Großvater nacheifert, ohne dafür jedoch eine nähere Begründung zu hören.
Wenn man dies schon so andeutet, hätte die Motivation in meinen Augen noch klarer ausgearbeitet werden müssen. Warum will er so sein, wie Darth Vader? Wie sowas aussehen kann, hätte man sich ganz gut im Expanded Universe abschauen können, denn auch dort verfällt der älteste Sohn der Solos der dunklen Seite der Macht und eifert seinem Großvater nach.
Kylo Ren wirkt alles in allem mehr wie ein Kind, als ein ernst zu nehmender Gegner. Dummer Weise kann auch General Hux nicht wirklich als Respekt einflößend überzeugen, sodass die beiden einander auch nicht gut ergänzen.
Persönliches Fazit
Es ist den Machern dank visueller Eindrücke und der Musik durchaus gelungen, ein „Star Wars Feeling“ beim Publikum zu erzeugen. Leider sind sie bei der Geschichte in alte Muster verfallen und haben, statt etwas Neues zu finden, bereits Bekanntes neu aufgekocht. Das empfinde ich als extrem schade, da es im Star Wars Universum so viel mehr Ideen als Superwaffen gibt. Doch diese (altes Expanded Universe) wurden von Disney zum nicht mehr „offiziellen Kanon“ erklärt und werden nun unter dem Label „Legends“ verkauft.