Hände zeichnen ist immer wieder eine Herausforderung für sich. Hände gehören wohl zu den komplexesten Dingen der menschlichen Anatomie, die einem das Zeichnen gerne mal schwer machen. Ein Blick in ein Anatomiebuch genügt und man sieht die vielen kleinen Knöchelchen, die uns diese komplexen Bewegungen überhaupt ermöglichen!
Bildausschnitt aus meinem 2006 für die Schule entstandenen Bild „Kreislauf des Lebens“
Ohne Hände geht es einfach nicht. Versucht man verkrampft seine Motive so zu gestalten, dass man keine Hände zeichnen muss, sieht das Ergebnis schlussendlich noch seltsamer aus.
Inhalt
Persönliche Erfahrungen – ein kleines Vorwort
Ich habe mit Händen die gleichen Probleme wie viele auch. Nach Vorlage klappte das irgendwann ganz prima, aber sobald ich eine eigene Figur erfinden wollte? Fehlanzeige. Dank der ODC ist das allerdings schon viel besser geworden.
Seit unserem Familientreffen im April tausche ich mich hier und da mit einer meiner Nichten 2. Grades (15) aus. Neulich fiel mir – als sie mir ein Foto eines Bildes schickte, dass sie gerade gemalt hatte, bei ihr genau das Verhalten auf, dass ich in ihrem Alter selbst an den Tag legte. Sie versteckte die Hände, damit sie sie nicht zeichnen/malen musste.
Ich habe ihr darauf ein paar Hinweise und Tipps zu Vorlagen zum Üben geschickt und merkte, dass das womöglich ein gutes Thema für meine „Zeichnen lernen“ Beitragsreihe hier in der Variationsphase ist.
Was braucht ihr?
Ganz ehrlich? Abgesehen von Zettel und Stift sowie Zeit und etwas Geduld eigentlich nichts.
Es gibt dort draußen eine Hülle und Fülle an Büchern, doch ich empfehle eindringlich: Schaut vor dem Kauf rein, ob es euch wirklich weiter bringt. Ich habe schon so viele Bücher gesehen, die nicht viel mehr tun, als euch den Entstehungsprozess eines Bildes zu zeigen und fertig. Ihr könnt das dann nachzeichnen, aber es bringt euch bei der Entwicklung eurer eigenen Motive nicht wirklich weiter.
Wenn ihr in ein Buch investieren wollt, würde ich eines empfehlen, dass euch die korrekte Anatomie zeigt, damit ihr mal seht, wie die Knochen, Muskeln und Bänder verlaufen. (Es gibt diverse „Anatomie für Künstler“ Bücher.) Im Idealfall gibt es dort nicht nur einfache Draufsichten, sondern verschiedene Posen.
Die Ableitung für eine vereinfachte Darstellung in eurem Stil solltet ihr dann einfach selbst vornehmen. Hierbei helfen euch hoffentlich die nachfolgenden Hinweise und Tipps. Solltet ihr dann trotz aller Bemühungen nicht weiter kommen, lohnt es sich, Zeichnungen von Händen durch andere Künstler zu studieren. Findet jedoch in jedem Fall euren Weg, um am Ende nicht nur die Hände anderer Künstler abzuzeichnen.
Ein paar Buchtipps findet ihr in Rebeccas Blogpost zu ihrer Initiative, das Hände zeichnen zu üben.
Nachtrag: Über einen Tipp von Qinni in ihren Kommentaren bei einem Facebookpost, bin ich über Google über diese Digitalisierung eines alten Buches zum Hände zeichnen gestolpert: „The Book of a Hundred Hands“ by George B. Birdgman aus dem Jahre 1920.
Nachtrag2: Alex zeigt auf ihrem Blog in einem Video, wie sie Hände zeichnet. Sehr schick. :)
Kleine Wiederholung
Beim Zeichnen geht es nicht nur um die Koordination eurer zeichnenden Hand mit eurem Kopf, sondern es geht vor allem darum, dass ihr lernt zu sehen. Und zu verstehen. Vor allem der zweite Teil ist relevant, wenn es euch um mehr geht, als nur von Fotos abzuzeichnen.
Zunächst geht es hierbei um das Erkennen einfacher Grundformen im Raum. Stellt euch eure Hand zerlegt in Kugeln (Gelenke) und Zylinder (Fingerknöchel) vor und lernt, diese Formen mit perspektivischer Verkürzung im Raum zu zeichnen.
Wenn euch das Thema grundsätzlich neu ist, lohnt sich für euch vielleicht ein Blick in meinen ersten Beitrag, wo ich ausführlicher auf die Grundlagen und mögliche Übungen eingegangen bin: Zeichnen lernen – Ein paar Grundlagen
Ihr seid selbst eure beste Vorlage
Alle Animatoren lernen es: Um eine Pose gut zeichnen zu können, macht es Sinn, sie einmal selbst einzunehmen. Ihr gewinnt damit ein besseres Gefühl für die Figur. Zur kleinen Auflockerung hier mal ein Beispiel aus dem Animationsfilm Frozen:
Vimeo Video: Frozen – Shot Progression
Das Gute an Händen ist – die Mehrheit von euch hat wohl immer zwei dabei. Dummer Weise benötigt man eine Hand bereits zum Zeichnen, sodass gegebenenfalls ein Fotoapparat oder auch eine Webcam mit Schnappschuss-Funktion ganz praktisch sein können. Ich habe für euch ein paar Fotos gemacht, die ihr entweder direkt als Vorlage nutzen könnt oder als Anregung, eure eigenen Bilder zu machen.
Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass ihr keinen wirklichen Einschränkungen unterworfen seid. Ihr selbst seid eure Vorlage. Eure Figur hält etwas in der Pose? Kein Problem, dann sucht euch etwas vergleichbares und macht ein Foto, damit ihr seht, wie eure Finger sich um den Gegenstand legen, um ihn zu halten oder auch nur zu berühren.
Grundformen erkennen – vereinfachte Anatomie zum Hände zeichnen
Wenn ihr zeichnet, werdet ihr natürlich nicht jeden einzelnen Knochen und jede Muskelfaser zeichnen. Es hilft jedoch, sich das wenigstens einmal anzuschauen oder auch einfach an der eigenen Hand abzuzeichnen.
Für eine vereinfachte Anatomie teilen wir das zu zeichnende Objekt nach Möglichkeit in „Solid Parts“ und „Flexible Parts“ ein. Welche Teile sind also beweglich und welche nicht? An den Gelenken entstehen dabei Bewegungen an den normalen Knochen wiederum nicht. Um das zu veranschaulichen, zeichnet ihr für Gelenke stellvertretend Kugeln und für die festen Bestandteile wiederum Zylinder. Wenn ihr die oben angesprochenen Grundlagen-Übungen gemacht habt, sollte es euch möglich sein, diese auch adäquat im Raum zu zeichnen.
Mit diesem einfachen Kniff werdet ihr schon bald das Zeichnen der Finger in den Griff bekommen. Damit bleibt noch die Herausforderung des Handballens und -rückens. Im wesentlichen ist euer Handrücken fest und stabil. Es hat die Grundform eines flachen Trapezes. Der Ansatz des Daumens wiederum kann zu einer leichten Verformung führen und muss daher angesetzt werden.
Neben den Grundformen solltet ihr auf eine weitere Grundregel achten: In der Natur gibt es keine 100%igen Geraden, alles verläuft in Bögen. Das gilt für das Wachstum von Pflanzen, Tieren und auch Menschen sowie für Bewegungsabläufe. Dies gilt nicht nur für euer späteres Lineart, sondern auch für die Abstimmung der Längen der einzelnen Finger. Zeichnet euch daher für Gelenke der Fingerknöchel Bögen als Hilfslinien ein, damit ihr die Längen in etwa abschätzen könnt.
Selbst konstruieren
Nicht immer hat man Zeit und Muße, sich extra Fotos zu machen und sie hinter seine Vorzeichnung zu legen. Wer unterwegs ist, kann das auch nicht unbedingt. In diesen Momenten könnt ihr jedoch mit eurem Verständnis einer vereinfachten Anatomie einfach selbst die Grundformen konstruieren.
Vorzeichnungen der Hände aus dem Bild „Sich fallen lassen“ (Zum Entstehungsprozess des ganzen Bildes)
Diese Konstruktion ist eure Vorzeichnung und sollte anschließen nicht unbedingt steif nachgezogen werden. Vielmehr empfiehlt es sich, zunächst auf Überschneidungen zu achten. Worum es dabei geht und wie ihr vorgehen könnt, habe ich im letzten Beitrag dieser kleinen Serie beschrieben: Überschneidungen zeichnen
Macht es euch hier zum Start nicht gleich zu schwer. Denn je nach Haltung der Hand spielen natürlich perspektivische Verkürzungen eine sehr große Rolle. Eine für mich nach wie vor wirklich schwierige Pose ist der Blick direkt von vorn auf die Fingerspitzen, sodass sich alles dahinter verkürzt.
Hilfsmittel zum Hände zeichnen
Wenn ihr nicht immer erst Fotos von euren eigenen Händen machen wollt, kann euch eine hölzerne Hand (*) helfen. Ähnlich einer Gliederpuppe könnt ihr die einzelnen Glieder der Finger bewegen und somit die Hand in die von euch benötigte Pose bringen. Solche Modelle für Künstler gibt es von verschiedenen Anbietern in verschiedenen Größen.
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Übungen
Hier ein paar Anregungen, wie ihr nun weiter machen könnt.
Tägliches Skizzieren
Versucht einmal eine Woche lang jeden Tag eure eigene Hand zu zeichnen. Gern mehrfach. Es geht weniger um ausgefeilte Bilder, als darum, euch mit euren Händen zu beschäftigen. Es ist eine rein handwerkliche Übung, bei der ihr selbst nicht zu viel denken müsst, sodass ihr eigentlich ohne Probleme zum Beispiel zuhören könnt. Das Gute ist, hierfür gibt es keine Ausrede, denn das lässt sich immer einbauen:
– Bei Vorträgen (ich gestehe, dass ich teils während Vorlesungen im Studium geübt habe)
– Beim Film gucken mit Partner Familie oder Freunden
– In der Stadtbahn
– Im Café
– etc.
Es macht im Übrigen grundsätzlich Sinn, immer ein Skizzenbuch bei sich zu führen. Egal, ob ihr nun das Zeichnen von Händen übt oder Ideen spontan festhalten wollt.
Fremde Vorlagen nutzen
Ob ihr nun bei eurem Lieblingsfilm die Pause-Taste drückt, Fotos aus Katalogen wählt oder andere Vorlagen nutzt. Wenn es euch um die reine Übung ohne Bezug zu einem festen Motiv geht, ist es kein Problem, auf bestehende Vorlagen zuzugreifen.
- Bei Google einfach mal „Hände zeichnen“ oder „drawing hands“ eingeben
- Sammelt bei Pinterest Anregungen und Anleitungen zum Zeichnen von Händen. Zum Start habe ich für diesen Post ein eigenes Board zusammengestellt. Mein Pinterest Board „Drawing Hands“
- 3D Modelle verwenden. Wenn ihr kein Programm wie Poser besitzt, findet ihr hier ein paar Handmodelle, die ihr frei im Raum drehen könnt. Achtung, sie sind bereits eher Manga-artig und nicht übermäßig realistisch. Handviewer von Posemaniacs
- Abzeichnen aus Anatomie-Büchern oder Vergleichbarem. Zum Beispiel: „The Book of a Hundred Hands“ by George B. Birdgman
Eigene Vorlagen schaffen
Macht ein paar Fotos eurer eigenen Hände, die ihr als Vorlage nutzen könnt. Mal mit und mal ohne Gegenstände und legt euch eure eigene kleine Bibliothek an. Wenn ihr Manga Studio oder Clip Studio Paint nutzt, könnt ihr einen entsprechenden Materialordner anlegen.
Vielleicht könnt ihr eure Familie oder Freunde auch überzeugen, einmal Handmodel für euch zu spielen, damit ihr unterschiedliche Vorlagen habt. Kleine Hände, große Hände, Männerhände, Frauenhände, Kinderhände etc.
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Bücher zum Thema
So viele hilfreiche Tips auf einen Haufen, danke dafür.
Ich bin auch ein Meister darin die Hände meiner Figuren zu verstecken, da damit jetzt aber Schluss sein soll, kommt dein Artikel wie gerufen.
viele Grüße Rebecca
Hallo Rebecca,
schön, dass dir dieser Post weiter hilft. Ich bin gespannt, wie deine weiteren Fortschritte aussehen werden. :)