Wer seinen Zeichnungen ein Gefühl von Räumlichkeit vermitteln will, muss auch Licht und Schatten verstehen und zeichnen können. Besonders für Kolorationen ist ein Grundverständnis von Licht und Schatten unerlässlich. Um Schatten gut malen oder zeichnen zu können, ist es essentiell, dass ihr euch mit der Quelle des Lichts in eurem Motiv beschäftigt. Wo sind die Lichtquellen (Sonne, Lampen, etc.) in eurer Komposition und wie genau verteilen sie ihr Licht?

Anmerkung: Diesen Beitrag hatte ich schon vor einer Weile vorbereitet und hatte ihn im Dezember 2016 auch weiter ausgearbeitet, als ich bei Mia einen ausführlicheren Kommentar zum Thema Licht und Schatten geschrieben hatte. Doch da ich zu dem Zeitpunkt keine Zeit für die Visualisierungen fand, rutschte der Beitrag wieder in den Hintergrund. Nun ist er aber endlich fertig und ich hoffe, möglichst viele von euch finden ihn nützlich. :)

Arten von Licht

Zeichnen lernen - Licht und Schatten zeichnen, Lichtquellen

Es gibt „Spitzlichter“, bei denen das Licht auf einen bestimmten Punkt strahlt. Ein Scheinwerfer oder eine Taschenlampe zum Beispiel. Wenn ihr so ein Licht habt, wird es die hellsten Lichtpunkte (z.B. Glanzpunkte) bestimmen.

Ein einfaches Richtungslicht wiederum ist nicht so fokussiert, definiert jedoch klar helle und dunkle Partien im Motiv und auf der Figur.

Als wäre es nicht schon genug, sich mit einer Lichtquelle herum zu quälen, dürfen natürlich beliebig viele Lichtquellen eingesetzt werden.

Zu allem Überfluss gibt es noch ein Umgebungslicht. Dies entsteht zum Beispiel durch Reflektionen der Lichtquellen an hellen Objekten, wie etwa Hauswänden. Auch ein bewölkter Himmel an einem Tag, wo wir die Sonne nicht direkt sehen, verströmt eher ein Umgebungslicht. Das Umgebungslicht ist schwächer als das Richtungslicht und kann Schatten entsprechend aufhellen.

Reflexionen auf Objekten

Wie sich das Material eines Objekts bei Lichteinfall verhällt, kann je nach Beschaffenheit sehr unterschiedlich sein. Wie wir das Licht auf den Objekten zeichnen, hängt vor allem davon ab, wie die Reflexionseigenschaft der jeweiligen Oberfläche ist.

Spiegelnd

Nicht nur Spiegel, sondern auch glatte, stark reflektierende Oberflächen können spiegeln. Das können Glasfenster an Gebäuden sein, aber auch einige Christbaumkugeln, glatte Wasseroberflächen oder verreiste Oberflächen können ihre Umgebung spiegeln.

In diesem Fall wird das einfallende Licht auf der Oberfläche nicht gebrochen, sondern in voller Stärke wieder abgestrahlt.

Glänzend

Bei einer leichten Streuung des Lichts gibt es keinen Spiegeleffekt mehr. Da alle Lichtstrahlen zumindest in eine ähnliche Richtung reflektiert werden, erscheinen auf der Oberfläche Glanzpunkte.

Diffus

Auf einer rauen Oberfläche wird das Licht in alle Richtungen gestreut, sodass man einen eher weichen Helligkeitsverlauf erhellt. Das können beispielsweise raue Kunststoffoberflächen, Stoffe, Teppiche, unbehandeltes Holz oder auch manche Blätter sein.

Natürlich handelt es sich hierbei um eine theortische Trennung. Es gibt viele Oberflächen deren Reflektionsverhalten zwischen diesen Punkten liegt.

Schatten zeichnen

Wenn wir über das Zeichnen von Schatten reden, dann meinen wir meist massive Objekte. Doch auch transparente oder halb-transparente Objekte werfen einen Schatten. Dieser ist jedoch heller als bei massiven Objekten, da das Licht teilweise hindurch scheint und den Schatten wieder aufhellt.

Auch indirektes Licht, beispielweise von einer reflektierenden Hauswand kann Schatten der primären Lichtquelle (z.B. Sonne) aufhellen.

Wohin fällt der Schatten?

Jede Lichtquelle wirft einen Schatten. Wenn es in eurem Bild mehr als eine Lichtquelle gibt, gibt es genau genommen also auch mehr als einen Schatten. Neben dem Schatten, der auf den Untergrund fällt, entstehen natürlich auch Schatten am Objekt an der vom Licht abgewandten Seite.

Ist eure Lichtquelle zu sehen, könnt ihr euch Hilfslinien von der Lichtquelle zu den Außenkanten eures Objekts zeichnen. Zeichnet sie so lang, bis sie den Boden berühren. Bis dahin sollte in etwa der Schatten gehen.

Liegt eure Lichtquelle hinter einem Objekt, so ist die dem Betrachter zugewandte Seite nahezu komplett im Schatten. Bei Rundungen, macht es Sinn, an den äußeren Stellen, die streng genommen keine Kanten sind, Licht einzuzeichnen. Der Schatten auf dem Boden wiederum läuft auf den Betrachter zu und ist sehr lang.

Ihr kennt das von abendlichen Spaziergängen. Je tiefer dje Sonne steht, desto länger werden die Schatten. Dieses Verhalten gilt bei allen tief stehenden Lichtquellen.

Zeichnen lernen - Richtungslinien für Licht und Schatten einzeichnen

Temperatur des Lichts

Buchempfehlung: Color and LightLichtquellen können unterschiedliche Temperaturen haben. Ein Zimmer am Abend wird vielleicht von einer kleinen Lampe und einem Bildschirm beleuchtet. Die Lampe verströmt hierbei vielleicht ein warmes, gelbliches Licht, während der Bildschirm eher ein kühles weißes bis bläuliches Licht verströmt. Auch ein Feuer in einem Ofen oder ein Lagerfeuer werden eher warmes Licht verströhmen.

Gerade wenn ihr eure Zeichnung später koloriert, können solche Effekte sehr ansprechend sein.

Temperatur der Schatten

Die Farbgebung der Schatten verhält sich komplementär zur Farbtemperatur des Lichts. Komplementärfarben sind jene Farben, die einander im Farbkreis gegenüber liegen. Das kennt ihr möglicherweise noch aus dem Kunstunterricht in der Schule oder entsprechenden Gestaltungsvorlesungen an der Uni oder Fachhochschule.

Die Komplementärfarbe ist jene Farbe, die unser Auge zum Ausgleich „sehen will“. Wenn ihr beispielsweise eine ganze Weile auf ein rotes Quadrat auf weißem Grund schaut und dann auf eine weiße Fläche, so werdet ihr das Quadrat für einen Moment in einem Grünton vor eurem inneren Auge sehen, obwohl da natürlich kein Quadrat ist.

Bei einem warmen, orangen Licht würden die Schatten daher eher kühl wirken. Bei einem kühlen Licht wiederum eher warm.

Konturen und Schraffuren

All die Informationen über Licht und Schatten sollten nun natürlich in euer Bild einfließen. Wenn wir über eine klassische Bleistift Zeichnung sprechen, betrifft dies sowohl eventuelle Konturen, als auch Schraffuren.

Konturen sind in diesem Fall an den zum Licht gewandten Kanten dünner, als auf der Schattenseite. Auch Schraffuren werden entsprechend dünner oder dicker.

Darüber hinaus helfen Schraffuren ebenfalls, ein Gefühl von Tiefe zu vermitteln. Hierbei ist es unerlässlich, dass eure Striche der Form der Figur bzw. des Objektes folgen. Eine falsche Schraffur kann alle vorherigen Bemühungen zur Erzeugung eines Eindrucks von Tiefe zunichte machen.

Übungen

Tipp: Mit einem Lichtpad (*) könnt ihr einfach eure Vorzeichnungen replizieren und so verschiedene Lichtsituationen üben. Vom Preis her sind diese im Vergleich zu den großen Lichttischen, die mancher vielleicht aus dem Studium kennt, mittlerweile erschwinglich. (* Amazon Affiliate Link) 

  • Wählt einen Gegenstand (nicht zu komplex, aber auch nicht zu einfach) und schafft verschiedene Lichtsituationen in denen ihr den Gegenstand nun fotografieren und zeichnen könnt.
  • Sucht euch ein Haus, einen Baum oder ein anderes festes Objekt und zeichnet es einmal bei sonnigem und einmal bei bewölktem Wetter möglichst vom gleichen Standpunkt aus. Was hat sich verändert?
  • Wählt eine kleine Komposition, die ihr mehrfach unter verschiedenen Lichtsituationen zeichnet. Ingmar hat dies vor einiger Zeit sehr schön mit mehreren Köpfen gemacht.
  • Nehmt euch eine Zeichnung von euch und übertragt sie als Übung auf Transparentpapier. Legt eure Lichtquelle fest und beginnt nun, sie zu schattieren. Ihr entscheidet, ob einfach nur mit Bleistift oder mit Buntstiften.

Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2019 – Buchempfehlung (nachfolgend) ergänzt

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Bücher zum Thema

Persönliche Empfehlung

Wenn euch Englisch als Fremdsprache nicht abschreckt und ihr gern mehr Anregungen und Beispiele für das Zusammenspiel von Licht und Farbe haben wollt, kann ich euch „Color and Light – A Guide for the Realistic Painter“ empfehlen. In 11 Kapiteln werden hier folgende Themen behandelt und mit vielen Beispielen alter Künstler oder von James Gurney (Dinotopia) illustriert:

  • Tradition
  • Quellen von Licht
  • Licht und Form
  • Elemente von Farbe
  • Farbe und Pigmente
  • Farb-Beziehungen
  • Mischtechniken
  • Visuelle Wahrnehmung
  • Oberflächen und Effekte
  • Atmospherische Effekte
  • Sich ändernde Lichtverhältnisse
Zeichnen lernen – Licht und Schatten
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4 thoughts on “Zeichnen lernen – Licht und Schatten

  • 25 September 2017 um 13:03 Uhr
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    Hallo Chrissi,
    es hat sich auf jeden Fall gelohnt bei diesem Artikel am Ball zu bleiben. ;) Beispielbilder sind ja bei solchen Themen immer das A und O.

    Und Licht & Schatten ist irgendwie ein Dauerbrenner genau wie perspektivisches Zeichnen. Soll heißen: man kann nie genug über dieses Thema in Erfahrung bringen. Und auch wenn man meint, man hätte schon alles gehört und gesehen, gewinnt man doch irgendwie immer neue Erkenntnisse.

    Lieben Gruß Steffi

    Antworten
  • 11 Oktober 2017 um 14:58 Uhr
    Permalink

    Super schön umgesetzt! Habe mich auf den Post wirklich schon gefreut :)
    Ich hab dem ganzen im Moment aber nichts Sinnvolles hinzuzufügen außer, dass ich den Eintrag wohl immer mal wieder besuchen und nachlesen werde :D
    Werde mir auch bald ein Malbuch (für Kinder XD) zulegen, und dort ein bissl Licht und Schatten üben.

    Antworten
  • 20 April 2018 um 08:42 Uhr
    Permalink

    Ein wirklich sehr schöner und ausführlicher Artikel, großes Lob! Wie hast du es geschafft, dass man bei deinen Bildern nicht die Ränder sieht? Sind die digital gezeichnet? LG Mara

    Antworten
    • 30 April 2018 um 18:00 Uhr
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      Hallo Mara, die Erklärbilder sind alle digital gezeichnet, genau. Nur der Elch am Ende ist ein analoges Bild aus meinem Skizzenbuch. :)

      Antworten

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